Feiern wie im Jahr 1735: hinter den Kulissen von Wiens größtem Sommerball
Jahr für Jahr taucht Wien in der Ballsaison in einen Strudel aus weißen, bodenlangen Kleidern und Pferdekutschen. Höhlenartige Tanz- und Speisesäle in prestigeträchtigen Veranstaltungsorten wie dem Kaiserpalast und der Wiener Staatsoper werden für einen einzigen Abend in glitzernde, märchenhafte Kulissen verwandelt, mit Scharen von Debütanten, sprudelndem Champagner, Tafelsilber und Höflichkeiten.
Auch wenn die österreichische Hauptstadt für ihre Winterfeste berühmt ist, zu denen Veranstaltungen wie der Kaffeesiederball gehören, liegt eines der größten Highlights der Saison im Sommer. Die Grand Fête Impériale, die im Juni in der barocken Spanischen Hofreitschule der Stadt stattfindet – einer der ältesten Reitschulen dieser Art auf der ganzen Welt – ist ein einzigartiges Spektakel, das zeremonielle Tradition mit viel modernem Luxus verbindet.
Hier werden wir einmal beleuchten, wie das alles zusammenpasst.

Eine illustre Vergangenheit
Maskenbälle und Kostümfeste waren im Österreich der Kaiserzeit bei der Habsburger und Wiener Elite an der Tagesordnung. Seit die Mode um 1520 herum aufkam, wurden unzählige extravagante Feste gefeiert, um die Hoheiten zu unterhalten und Debütanten und ihre Verehrer in die Gesellschaft einzuführen. Große Künstler der klassischen Musik, wie beispielsweise Johann Strauß der Ältere, haben in den 1820er Jahren speziell für diese illustren Zusammenkünfte komponiert. Zu ihren Werken gehören auch zwei der berühmtesten Tänze der Welt – der Wiener Walzer (der „König der Tänze“) und die Mitternachtsquadrille.
Der Glanz und die Pracht der Fête Impériale erinnern an die Hofbälle des 18. Jahrhunderts – der Zeit, in der sich Wien auf dem Höhepunkt der Kaisermacht befand. Es war die Kaiserin Maria Theresia (in diesem Jahr ist ihre Geburt 300 Jahre her), die damit begann, jeden Sommer diese spektakulären Maskeraden oder „Damenkarussells“ zu feiern. Vor neun Jahren wurde dieses Fest nun mit neuem Leben erfüllt und zählt heute unter den im Jahresturnus stattfindenden Veranstaltungen zu den wichtigsten der Stadt – eine wahre Perle des Sommers. Wir haben mit Elisabeth Gürtler gesprochen, ihres Zeichens Direktorin der Spanischen Hofreitschule und treibende Kraft hinter den Bällen, um herauszufinden, wodurch die Neuauflage dieser jährlichen Soirée inspiriert wurde und welche Vorbereitungen hinter den Kulissen einer so prestigeträchtigen Veranstaltung anfallen.

Tradition mit neuem Leben
Eine so archaische Veranstaltung mit neuem Leben zu erfüllen war in gleichem Maße Chance und Herausforderung. Was also war die Motivation dahinter?
„Als wir den Ball im Jahre 2010 neu konzipierten, war unsere Grundidee, diese kaiserlichen Feste und hochrangigen gesellschaftlichen Veranstaltungen in die Spanische Hofreitschule zurückzuholen“, erläutert Gürtler. „Schon Leopold I. hat im 17. Jahrhundert in diesen Hallen rauschende Feste gefeiert. Es war für uns auch eine Möglichkeit, die Menschen mit unseren Pferden, den Reitern und der prachtvollen Atmosphäre der Spanischen Hofreitschule in Kontakt zu bringen. Wir wollten es für sie erstrebenswert machen, eine Veranstaltung an diesem besonderen Ort zu erleben.“
Um für ein zeitgenössisches Publikum die Essenz des 18. Jahrhunderts einzufangen, verfügt der Ball über ein detailliertes Veranstaltungsprogramm, zu dem auch eine feierliche Prozession und ein Cocktailempfang in drei Ballsälen gehören.
„Die Fête Impériale und alle anderen typischen Wiener Bälle geben den Menschen – zumindest für eine Nacht – das Gefühl, eine Zeitreise in die Vergangenheit gemacht zu haben“, so Gürtler. „Und es sieht ganz so aus, als ob die jungen Leute von heute eine solche Reise genießen!“

Hinter den Kulissen
Damit der Abstecher in eine vergangene Ära wie geschmiert läuft, bedarf es einer akribischen Planung.
„Wenn man einen so großen Ball organisiert, muss man mindestens ein Jahr im Voraus mit den Vorbereitungen beginnen“, erklärt Gürtler. „Wöchentliche Brainstorming-Sitzungen, ein Austausch von Ideen und eine detaillierte Liste der verschiedenen Aufgaben haben sich als sehr hilfreich erwiesen.“
Wenn die Prinzessinnen von Dänemark und ihresgleichen, Sportchampions, Sänger und Künstler in vergoldeten Kutschen vorfahren, bereit für die große Eröffnung, dann ist Timing das A und O. Auch neue Themen und Modebewegungen müssen berücksichtigt werden. So wird die Spanische Hofreitschule zwar jedes Jahr in Rot und Weiß dekoriert, den Farben der österreichischen Flagge, aber die Details sind bei jedem Fest andere.
„Es ist überlebenswichtig, flexibel zu bleiben, neue Lösungen zu suchen, interessante Menschen einzubinden und Augen und Ohren offen zu halten“, so Gürtler. Ein Element jedoch, das sich in näherer Zukunft ganz sicher nicht ändern wird, ist die makellose Bekleidung, ohne die kein Einlass gewährt wird. Bei den Herren sieht der Dresscode entweder einen Smoking, einen Abendanzug oder einen Frack vor, die Damen müssen bodenlange Abendkleider tragen.

Eine harmonische Sache
Auch der Ablauf des Abends ist genau vorgegeben. „Der Tradition folgend muss der Ball mit einer Eröffnungszeremonie beginnen“, erklärt uns Gürtler. „Mindestens 80 Debütantenpaare zeigen eine spezielle Einlage, gefolgt von einem Wiener Walzer. Wenn wir mit dem Opernball konkurrieren wollen, müssen Balletttänzer, Opernsänger oder Ähnliches eingebunden werden. Bei der Fête Impériale haben wir uns dafür entschieden, in der Eröffnungsshow Pferde auftreten zu lassen.“
Eine festliche Prozession zieht zur Winterreitschule, wo die große Eröffnung stattfindet. Hier haben die Reiter und Debütanten ihren dramatischen Einmarsch. Gegen 22 Uhr beginnt zu den Klängen von klassischer Musik, Pop und Motown in der Sommerreitbahn und der Stallburg der Tanz, der bis in die frühen Morgenstunden hinein andauert. Dabei können die Gäste zur Michaelerkuppel und durch die überdachten Arkaden schlendern und nach einer Kleinigkeit zum Essen Ausschau halten.
Ein Hauch von Opulenz
Genau dieser Feinschliff ist es, der die Veranstaltung so außergewöhnlich macht. Es wird kein Abendessen serviert, aber die Leckerbissen – wie beispielswiese von Lindt und dem österreichischen Eiscremehersteller Eis Greissler – sind berühmt.
„Normalerweise speisen die Gäste vor dem Ball (der um 21 Uhr beginnt) und nehmen dann an ihren Tischen oder in den Logen nur noch kleine Snacks zu sich“, erläutert Gürtler. „Diese Snacks sind ein wichtiges Element der Nacht. Es gehört zur Veranstaltung dazu, mindestens einen berühmten Koch zu präsentieren, der in einem Außenbereich kleine Gerichte zubereitet.“
Dass der Ball im Sommer stattfindet, verleiht ihm eine perfekte Kulisse für alles, was draußen geschieht. „Die Atmosphäre des Balls ist sehr elegant und dennoch leger, denn vieles spielt sich in Außenbereichen ab“, so Gürtler. „Man sieht draußen immer viele Menschen auf den Strohballen sitzen.“
Vielleicht ist es diese entspannte Atmosphäre, kombiniert mit einer uralten Tradition, die die Fête Impériale zu einem wirklichen Highlight im Sommerprogramm von Wien macht.